Potenzstörungen junger Männer
Immer mehr junge Männer leiden an Potenzproblemen
Eine Störung der Potenz (erektile Dysfunktion, ED) wird gemeinhin als Alterskrankheit angesehen. Immer mehr Erkenntnisse deuten jedoch auf ein zunehmendes Auftreten von ED auch bei Männern unter 40 Jahren hin. In großen multinationalen Studien wurde das Vorkommen von ED bei jungen Männern auf bis zu 30% geschätzt. Potenzstörungen bei einem jungen Mann sind demnach ein wichtiges Gesundheitsproblem, das die Lebensqualität des Patienten erheblich beeinträchtigt und sich nachteilig auf sein Wohlbefinden und seine Beziehung zu seinem Partner auswirken kann.
Woran liegt das?
Der Prozess der Erreichung einer Erektion ist sehr komplex. Störungen können auf mehreren Ebenen auftreten und es gibt viele mögliche Mechanismen, die gestört werden können. Daher ist es wichtig, die spezifischen Ursachen einer Potenzstörung im Einzelfall zu identifizieren bevor mit kostspieligen oder invasiven therapeutischen Optionen fortgefahren wird. Moderne Diagnose- und Behandlungsmodalitäten bieten die Möglichkeit, junge Männer mit ED zu identifizieren und zu behandeln.
Die Ursachen der ED werden in psychogene und organische Auslöser unterteilt. In der Altersgruppe junger Männer stehen eindeutig psychische Ursachen im Vordergrund. Bei diesen Patienten treten eher plötzlich Symptome mit verminderter Libido aber guter Qualität spontaner oder selbst stimulierter Erektionen auf. Der subjektiv empfundene Druck, sexuelle Leistungen erbringen zu müssen, ist der größte Risikofaktor. Er führt zu einer Aktivierung des sympathischen Nervensystems, was dann wiederum die Erektion ausbremst. So kann auch schon ein einmaliges Versagen dazu führen, dass die Angst vor einer Wiederholung diesen Zustand weiter manifestiert. Ein Teufelskreis.
Zu den psychogenen Ursachen gehören aber auch Depressionen, Angstzustände, Beziehungsprobleme oder Stress bei der Arbeit. Hinzu kommt, dass durch die sexualisierte Medienwelt falsche Vorstellungen von Sexualität verfestigt werden, die Reizschwelle durch Reizüberflutung erhöht wird und möglicherweise auch Schuldgefühle bei Pornokonsum eine Rolle spielen.
Manche Ursachen reichen bis ins Kindesalter zurück. Über 40 Prozent der Männer mit psychogener ED berichteten über Ereignisse, die im Kindesalter eine gestörte Bindung verursachen. Dieses Phänomen ist häufig und geht statistisch mit einem einem früheren Beginn der ED, einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer Heirat und einer höheren Rate an Leistungsangst einher.
Organische Ursachen
Aber auch organische Ursachen darf man in dieser Altersgruppe keinesfalls aus dem Blick verlieren. Bei Männern mit organischen Störungen treten die Symptome eher allmählich bei meist normaler Libido auf. Die Datenlage für junge Männer ist jedoch uneinheitlich. Da ED traditionell in der alternden männlichen Bevölkerung auftritt, werden die Studien zu ED eher bei Männern mittleren und älteren Alters als bei jungen Männern durchgeführt. So wurden organische Ätiologien bei 15-72% der Männer mit ED unter 40 identifiziert. Auch wenn diese Angaben natürlich sehr grob sind, so unterstreichen sie doch, dass Begleitkrankheiten wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder neurologische Pathologien oder der Einsatz von Medikamenten stark mit ED zusammenhängen. Darüber hinaus ist bewiesen, dass Fettleibigkeit oder körperlicher Inaktivität mit einer erhöhten Rate an ED verbunden ist.
Im Einzelnen:
Gefäßursachen sind häufig auf arterielle Verschlusskrankheiten zurückzuführen. Starke Raucher können auch schon unter 40 Gefäßprobleme haben.
Eine Erektile Dysfunktion ist eine häufige Begleiterscheinung bei jugendlichem Diabetes mellitus (Typ1). Die Gesamthäufigkeit von ED bei diabetischen Männern liegt laut Studien bei 37%. Mehr als die Hälfte der Diabetiker (58%) haben zumindest eine leichte Potenzstörung. Auch Depressionen sind bei Diabetikern mit ED assoziiert.
Neurologische Ursachen sind nicht so selten wie man vermuten könnte. Junge Männer mit Multipler Sklerose, Epilepsie und Verletzungen in unmittelbarer Nähe des Rückenmarks haben ein erhöhtes ED-Risiko. Es wird geschätzt, dass 8% der Männer mit Parkinson unter 40 Jahre alt sind, wobei wiederum 21% dieser Personen an ED leiden.
Zu den Medikamenten mit möglichem negativen Einfluss auf die Potenz gehören Antidepressiva, nichtsteroidale Antirheumatika, Finasterid (gegen Haarausfall und Prostatavergrößerung), sowie neurologische Medikamente wie Antiepileptika und Neuroleptika.
Hormonelle Auslöser sind in der jungen Bevölkerung eher selten, mögliche Ursachen sind jedoch das Klinefelter-Syndrom, oder ein angeborener oder erworbener Testosteronmangel.
Diagnostik
Es ist wichtig, die genaue Ätiologie der ED zu ermitteln, bevor mit der weiteren Bewertung und Behandlung fortgefahren wird, da die Aufarbeitung invasiv und kostspielig sein kann. Die Aufarbeitung junger Männer mit ED sollte eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung umfassen. Alle oben genannten Krankheiten müssen systematisch abgefragt und ausgeschlossen werden. Das signifikante Vorkommen von gefäßbedingten Ursachen bei jungen Männern sollte im Einzelfall auch zu einer nächtlichen Penis-Tumeszenz-Messung und Penis-Doppler-Ultraschall Anlass geben.
Die Hemmschwelle
Junge Männer gelten als weniger körper- und ernährungsbewusst als Frauen, sie gehen auch seltener zum Arzt. Das ist auch systembedingt: Während Mädchen schon sehr früh an Ihren Frauenarzt angebunden werden, fehlen geschlechtsspezifische Gesundheits- und Beratungsangebote für Jungs. Die verständliche Unsicherheit junger Männer in Bezug auf Ihren Genitalbereich führt zu vielen Fragen. Eine Jungensprechstunde beim Urologen wird gerade erst etabliert. Deshalb muss die Hemmschwelle für einen Arztkontakt möglichst niedrig gehalten werden.
Die Erklärung von Normalbefunden und die Einordnung auffälliger Befunde gehört zu den Aufgaben eines Urologen. Bisher muss man dafür einen Termin beim Facharzt machen. Mittlerweile stehen aber auch auf Online-Portalen Fachärzte beratend zur Seite und verhindern so, dass sich die junge Männer immer weiter in eine Informationssackgasse hinein googeln.
Was lässt sich dagegen tun?
Risikofaktoren müssen reduziert werden: Gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, Verzicht auf Nikotin und Drogen sind unabdingbar. Der wichtigste Punkt aber ist das offene Gespräch mit der Partnerin oder einem Psychologen bzw. Sexualtherapeuten. Die Versagensangst zu erkennen, überhöhte Erwartungen zu reduzieren und realistisch einzuordnen, kann es erleichtern, mit dem Problem umzugehen.
Therapeuten aus Chicago konnten mit einer Doppelstrategie bei über 70 Patienten mit einer psychogenen ED ohne erkennbare organische Ursache und einem Durchschnittsalter von 32 Jahren immerhin fast 60 Prozent der Männer helfen. Die Behandlung umfasste einen täglich niedrig dosierten Phosphodiesterase-Typ-5-Hemmer sowie eine Überweisung zur psychosexuellen Therapie. Dieser Algorithmus bietet Urologen einen nützlichen Rahmen für die Behandlung dieser potenziell herausfordernden Patienten. Auch in dieser Altersgruppe bieten also PDE-5-Hemmer die Basis einer effektiven Therapie.
Medizinisch geprüft von:
Dr. med. Christoph Pies, Jahrgang 1970, studierte Medizin in Bochum und Düsseldorf, bevor er in einer Kölner Klinik seine Berufung zum Urologen fand. Auslandsaufenthalte führten ihn in Kliniken in der Schweiz und den USA (Houston, New York, Los Angeles). Nach seiner Facharztausbildung und Oberarzttätigkeit wurde er 2004 niedergelassener Urologe in der Nähe von Aachen. Er verfügt über die Zusatzbezeichnungen Andrologie und Medikamentöse Tumortherapie. Dr. Christoph Pies ist seit 2020 bei Apomeds dabei.
Quellen:
- Nguyen HMT, Gabrielson AT, Hellstrom WJG. Erectile Dysfunction in Young Men-A Review of the Prevalence and Risk Factors. Sex Med Rev. 2017 Oct;5(4):508-520.
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