Mycoplasma Genitalium: Eine unterschätzte Geschlechtskrankheit

Ein Mann schaut auf eine traurige Frau im Schlafzimmer

Mycoplasma genitalium ist eine Geschlechtskrankheit (STD), die wegen Antibiotikaresistenzen und schwerer Nachweisbarkeit Ärzten Sorgen bereitet. Sie verläuft oft unbemerkt, kann aber unbehandelt ernsthafte Folgen haben. Prävention und Behandlung sind daher entscheidend.

In diesem Artikel erfahren Sie:

Was ist Mycoplasma Genitalium?

Vektor-Illustration von Mycoplasma-Bakterien

Klein, aber folgenreich: Mycoplasma Genitalium zählt zu den winzigsten bekannten Bakterien. Erst 1981 entdeckt, entwickelt sich dieser Erreger zunehmend zu einem gesundheitlichen Problem - besonders bei jungen, sexuell aktiven Menschen.


Anders als viele andere sexuell übertragbare Infektionen hat Mycoplasma Genitalium keine Zellwand. Das macht die Behandlung knifflig, da viele Antibiotika genau dort ansetzen würden. Die Mycoplasma-Infektion unterscheidet sich auch durch ihre oft schleichende Entwicklung von anderen Geschlechtskrankheiten.


Aktuelle Studien zeigen: In Industrieländern tragen etwa 1,3% der Bevölkerung das Bakterium in sich. In Entwicklungsländern liegt die Rate bei 3,9%. Bei Menschen ohne Symptome fällt die Rate mit 0,8% deutlich niedriger aus. [1]

Übertragung von Mycoplasma Genitalium 

Die Mykoplasmen-Ansteckung erfolgt hauptsächlich durch:



Die Inkubationszeit von Mykoplasmen beträgt etwa 2 bis 3 Wochen. [2]


Eine Studie aus Nigeria ermittelte folgende Risikofaktoren:


Ein niedriger sozioökonomischer Status verdreifacht etwa das Ansteckungsrisiko. Überraschenderweise zeigt sich kein Zusammenhang zwischen früheren Geschlechtskrankheiten und einer Mycoplasma Genitalium-Übertragung.

Symptome von Mycoplasma Genitalium

Eine Infektion mit Mycoplasma Genitalium verläuft häufig ohne erkennbare Beschwerden. Bei auftretenden Symptomen unterscheiden sich diese bei Männern und Frauen:

Mykoplasmen-Symptome bei Männern

Mykoplasmen-Symptome bei Frauen

Symptomfreie Verläufe der Mykoplasmen Geschlechtskrankheit

Eine Bevölkerungsstudie fand heraus: Etwa 94% der infizierten Männer und 56% der infizierten Frauen bemerken keinerlei Anzeichen der Infektion. Auch ohne Symptome kann die Bakterieninfektion auf andere Menschen übertragen werden. [4]


Mycoplasma Genitalium unterscheidet sich von anderen sexuell übertragbaren Infektionen durch seine oft milderen Symptome. Betroffene weisen häufig weniger Entzündungsmarker auf als beispielsweise bei einer Gonorrhö-Infektion. [5]


Die schleichende und unauffällige Entwicklung macht die Infektion besonders tückisch. Bei anhaltenden Beschwerden oder Verdacht auf eine Ansteckung sollten Betroffene ärztliche Hilfe aufsuchen. Nur durch einen Test lassen sich Mykoplasmen sicher nachweisen und gezielt behandeln. [4]

Die Diagnose von Mycoplasma Genitalium

Mykoplasmen-Blutprobe

Die zuverlässige Diagnose einer Mykoplasmeninfektion ist komplex, aber entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung. Anders als bei vielen anderen Bakterien lässt sich Mycoplasma Genitalium nicht durch herkömmliche Methoden nachweisen.

Probenentnahme

Für die Untersuchung eignen sich verschiedene Proben:


Bei Männern:


Bei Frauen:


Bei Männern liefert der Erststrahl-Urin die zuverlässigsten Ergebnisse. Bei Frauen erhöht die Kombination mehrerer Proben die Nachweisgenauigkeit deutlich. [6]

Nachweismethoden

Um Geschlechtskrankheiten erkennen zu können, ist ein molekularbiologisches Verfahren unerlässlich. Das hat mehrere Gründe:

Besondere Herausforderungen

Die Diagnose von Mycoplasma Genitalium ist aus mehreren Gründen anspruchsvoll:



Um die bestmögliche Diagnose zu gewährleisten, sollten folgende Punkte beachtet werden:



Ein genauer Nachweis ist besonders wichtig, da Mycoplasma Genitalium zunehmend Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt. Moderne PCR-Tests können auch gleich überprüfen, ob bestimmte Resistenzen vorliegen. Dies ermöglicht von Anfang an die Wahl des richtigen Antibiotikums. [6]

Mögliche Komplikationen einer Mycoplasma Genitalium Infektion

Eine unbehandelte Mycoplasma Genitalium Infektion kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen führen. Die Art und Schwere der Komplikationen unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern erheblich.

Komplikationen bei Männern

Ein depressiver Mann mit Prostataentzündung

Unbehandelte Mycoplasma Genitalium Infektionen können bei Männern zu anhaltenden Entzündungen im Genitalbereich führen.

Chronische Harnröhrenentzündung

Die häufigste Komplikation ist eine anhaltende Harnröhrenentzündung. Etwa 20-30% aller chronischen Harnröhrenentzündungen bei Männern werden durch Mycoplasma Genitalium verursacht. Die Entzündung kann auch nach antibiotischer Behandlung wieder auftreten, besonders wenn Resistenzen vorliegen.

Nebenhoden- und Hodenentzündung

Obwohl mehrere Fallberichte einen Zusammenhang zwischen Mycoplasma Genitalium und Nebenhoden-/Hodenentzündungen beschreiben, fehlen bisher große Vergleichsstudien, die dies eindeutig belegen.

Prostataentzündung

Ein direkter Zusammenhang zwischen der Mykoplasmeninfektion und Prostataentzündungen konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Die Forschung deutet aber darauf hin, dass Mycoplasma Genitalium bei gleichzeitiger Harnröhrenentzündung auch die Prostata befallen kann. [8]

Ebenfalls wichtig kann der regelmäßige Vorsorgecheck für Männer sein, da die Infektion oft symptomlos verläuft.

Komplikationen bei Frauen

Bei Frauen kann eine unbehandelte Mycoplasma Genitalium Infektion zudem schwerwiegende Auswirkungen auf die Fortpflanzungsorgane haben.

Gebärmutterhalsentzündung (Zervizitis)

Mycoplasma Genitalium verdoppelt nachweislich das Risiko für eine Gebärmutterhalsentzündung. Diese Entzündungen können chronisch werden und weitere Komplikationen verursachen.

Entzündungen im Beckenraum (PID)

Besonders gravierend ist das erhöhte Risiko für Unterleibsentzündungen:

Unfruchtbarkeit

Neue Meta-Analysen zeigen:

Schwangerschaftskomplikationen

Die Mykoplasmeninfektion kann verschiedene Schwangerschaftsprobleme verursachen:

Besondere Risikofaktoren für Komplikationen

Insbesondere Menschen mit geschwächtem Immunsystem und bestimmten Vorerkrankungen müssen besonders auf Anzeichen einer Mykoplasmeninfektion achten. 

HIV-Status

Weitere Risikofaktoren

Langzeitverlauf ohne Mycoplasma Genitalium-Therapie

Die Bakterien können sich lange im Körper halten:

Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer frühzeitigen Erkennung und wirksamen Behandlung von Mycoplasma , um langfristige Gesundheitsschäden zu vermeiden.

Vorbeugung einer Mycoplasma Genitalium Infektion

Einer Mycoplasma Genitalium Infektion lässt sich durch verschiedene Maßnahmen vorbeugen:

Schutz beim Sex

Ein Paar hält sich an den Händen, mit einem Kondom in der Jeanstasche

Der wichtigste Schutz vor einer Mycoplasma Genitalium-Infektion ist die konsequente Verwendung von Kondomen und Dental Dams. Diese Barrieremethoden sollten bei allen Arten von Sexualkontakten verwendet werden - auch beim Oralsex. Besonders wichtig ist der Schutz bei wechselnden Sexualpartner/innen, da hier das Risiko einer Ansteckung deutlich erhöht ist.

Regelmäßige Gesundheitsvorsorge

Menschen mit wechselnden Sexualpartner/innen sollten regelmäßig STI-Tests durchführen lassen, auch wenn keine Symptome einer Mycoplasma Genitalium bemerkt wurden. Nach ungeschütztem Sex mit neuen Partner/innen ist eine zeitnahe Untersuchung ratsam. Wird bei einer Person eine Infektion festgestellt, sollten sich auch deren Partner/innen testen lassen, da die Übertragungsrate zwischen Sexualpartner/innen hoch ist.

Offene Kommunikation

Partner/innen sollten vor intimen Kontakten über ihren STI-Status sprechen und gemeinsam Schutzstrategien vereinbaren. Im Fall einer diagnostizierten Infektion ist es wichtig, aktuelle und frühere Sexualpartner/innen zu informieren, damit diese sich ebenfalls untersuchen und gegebenenfalls behandeln lassen können.

Weitere Risikominimierung

Die Begrenzung der Anzahl von Sexualpartner/innen reduziert das Ansteckungsrisiko erheblich. Bei Symptomen von Mycoplasma Genitalium wie ungewöhnlichem Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen oder Unterleibsschmerzen sollte schnell ärztliche Hilfe aufgesucht werden. Nach einer erfolgreichen Mycoplasma-Behandlung ist eine Kontrolluntersuchung wichtig, um sicherzustellen, dass die Infektion vollständig ausgeheilt ist.


Eine komplette Vermeidung des Ansteckungsrisikos ist nur durch strikte Monogamie mit einem nicht infizierten Partner oder durch sexuelle Abstinenz möglich. Da die Infektion oft ohne Symptome verläuft, sind regelmäßige Tests und offene Kommunikation besonders wichtig für die Prävention. [11]

Behandlung von Mycoplasma Genitalium

Die Behandlung einer Mycoplasma Genitalium Infektion stellt aufgrund zunehmender Antibiotikaresistenzen eine wachsende Herausforderung dar.

Antibiotische Behandlung von Mykoplasmen

Verschreibungspflichtige Medikamente mit Verschreibungsformular

Der erste Behandlungsschritt erfolgt meist mit Doxycyclin, einem Antibiotikum aus der Gruppe der Tetracycline. Anschließend wird basierend auf einem Resistenztest ein weiteres Antibiotikum eingesetzt - entweder Azithromycin oder Moxifloxacin. Diese sogenannte "resistenzgesteuerte Therapie" erreicht Heilungsraten von über 95%.


Ein besonderes Problem stellt die zunehmende Resistenzentwicklung dar. Studien zeigen, dass etwa die Hälfte (51% bei Frauen und 41% bei Männern) der Mycoplasma Genitalium Stämme gegen Makrolid-Antibiotika resistent sind. Die Resistenz gegen Fluorochinolone wie Moxifloxacin steigt ebenfalls an. Dies macht eine gezielte Resistenztestung vor der Behandlung besonders wichtig. [12]

Therapie-Empfehlungen

Für eine erfolgreiche Mycoplasma-Behandlung ist es wichtig:


Partnerbehandlung

Die Behandlung von Sexualpartner/innen ist essentiell, um Neuinfektionen zu vermeiden. Studien zeigen eine Übertragungsrate von 39-50% bei heterosexuellen Paaren. [13

Partner/innen sollten sich daher ebenfalls testen und mit dem gleichen Antibiotika-Schema Mycoplasmen behandeln lassen.

Lassen sich Mykoplasmen naturheilkundlich behandeln?

Manche. Bisher gibt es keine wissenschaftlich nachgewiesenen pflanzlichen oder naturheilkundlichen Therapien speziell gegen Mycoplasma Genitalium. Zwar zeigen Studien aus der traditionellen chinesischen Medizin erste vielversprechende Ergebnisse bei der Behandlung anderer Mykoplasmen-Arten, diese lassen sich jedoch nicht direkt auf Mycoplasma Genitalium übertragen. Eine rein naturheilkundliche Behandlung wird daher nicht empfohlen. [14, 15]


Mycoplasma Genitalium ist eine unterschätzte STI, die oft unbemerkt bleibt, aber gravierende gesundheitliche Konsequenzen haben kann. 

Eine zeitgerechte Diagnose, Präventivmaßnahmen wie sichere Sexualpraktiken und regelmäßige Tests sind besonders wichtig, um die Ausbreitung dieser Infektionzu verhindern.

Lesen Sie mehr:

Quellen: 

  1. Baumann L, Cina M, Egli-Gany D, et al. Prevalence of Mycoplasma genitalium in different population groups: systematic review andmeta-analysis. Sex Transm Infect. 2018;94(4):255-262. doi: 10.1136/sextrans-2017-053384

  2. Abdulhadi B, Kiel J. Mycoplasma Pneumonia. [Updated 2023 Jan 16]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan-. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/sites/books/NBK430780/

  3. Adesola Ajani T, Oluwasola TAO, Ajani MA, Bakare RA. The prevalence of, and risk factors for, mycoplasma genitalium infection among infertile women in Ibadan: A cross-sectional study. Int J Reprod Biomed. 2017;15(10):613-618. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5767641/#:~:text=Associated%20risk%20factors%20included%20having,CI%3A%201.28%2D6.10 

  4. Gnanadurai R, Fifer H. Mycoplasma genitalium: A Review. Microbiology (Reading). 2020;166(1):21-29. DOI: 10.1099/mic.0.000830

  5. Short VL, Totten PA, Ness RB, Astete SG, Kelsey SF, Haggerty CL. Clinical presentation of Mycoplasma genitalium Infection versus Neisseria gonorrhoeae infection among women with pelvic inflammatory disease. Clin Infect Dis. 2009;48(1):41-47. doi: 10.1086/594123

  6. Shipitsyna E, Savicheva A, Solokovskiy E, et al. Guidelines for the laboratory diagnosis of mycoplasma genitalium infections in East European countries. Acta Derm Venereol. 2010;90(5):461-467. DOI: 10.2340/00015555-0929

  7. Sethi S, Singh G, Samanta P, Sharma M. Mycoplasma genitalium: an emerging sexually transmitted pathogen. Indian J Med Res. 2012;136(6):942-955. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3612323/

  8. Manhart LE, Geisler WM, Bradshaw CS, Jensen JS, Martin DH. Weighing Potential Benefits and Harms of Mycoplasma genitalium Testing and Treatment Approaches. Emerg Infect Dis. 2022;28(8):e220094. doi: 10.3201/eid2808.220094

  9. Haggerty CL, Taylor BD. Mycoplasma genitalium: an emerging cause of pelvic inflammatory disease. Infect Dis Obstet Gynecol. 2011;2011:959816. DOI: 10.1155/2011/959816

  10. Tantengco OAG, de Castro Silva M, Velayo CL. The role of genital mycoplasma infection in female infertility: A systematic review and meta-analysis. Am J Reprod Immunol. 2021;85(6):e13390. DOI: 10.1111/aji.13390

  11. About Mycoplasma genitalium. CDC. November 30, 2023 https://www.cdc.gov/mgen/about/index.html

  12. Getman D, Jiang A, O'Donnell M, Cohen S. Mycoplasma genitalium Prevalence, Coinfection, and Macrolide Antibiotic Resistance Frequency in a Multicenter Clinical Study Cohort in the United States. J Clin Microbiol. 2016;54(9):2278-2283. doi: 10.1128/JCM.01053-16

  13. Cina M, Baumann L, Egli-Gany D, et al. Mycoplasma genitalium incidence, persistence, concordance between partners and progression: systematic review and meta-analysis. Sex Transm Infect. 2019;95(5):328-335. doi: 10.1136/sextrans-2018-053823

  14. Wang M, Li H, Yang J, Wang M, Liu J. Clinical efficacy enhancement of a Chinese herbal injection in the treatment of mycoplasma pneumonia in children: A protocol of randomized controlled trial. Medicine (Baltimore). 2021;100(12):e25135. doi: 10.1097/MD.0000000000025135

  15. Liu F, Liu T, Sun M, et al. Maxing Shigan Decoction Mitigates Mycoplasma pneumonia-Induced Pyroptosis in A549 Cells via the NLRP3 Inflammasome. Infect Drug Resist. 2021;14:859-867. Published 2021 Mar 3. doi:10.2147/IDR.S292413

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