Grapefruit und Medikamente: Eine unterschätzte Gefahr

 Grapefruits, ein Glas Saft und Tabletten

Saftig, süß und reich an Vitamin C - Grapefruits gelten als gesunder Start in den Tag und dürfen auch in so manchen Cocktails nicht fehlen! Aber die beliebte Zitrusfrucht hat eine Schattenseite: Grapefruit kann die Wirkung vieler Medikamente drastisch verändern. Mehr als 85 Medikamente können mit Grapefruit interagieren, bei 43 davon können die Wechselwirkungen zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen. [1]

In diesem Artikel erfahren Sie:

Warum beeinflusst die Grapefruit unsere Medikamente?

Einer wichtigsten Inhaltsstoffe der Grapefruit sind hochaktive Substanzen namens Furocumarine.  

Diese natürlichen Chemikalien greifen direkt in unseren Stoffwechsel ein – genauer gesagt in das Enzym CYP3A4, das normalerweise wie ein Türsteher im Darm und in der Leber arbeitet. Dieses Enzym entscheidet, wie viel eines Medikaments in unseren Blutkreislauf gelangt. 

Sobald Grapefruits ins Spiel kommen, wird dieser Türsteher quasi lahmgelegt. ´


Das Ergebnis? Medikamente gelangen ungebremst und in viel höheren Mengen in unseren Körper. Dieser Effekt hält nicht nur Stunden, sondern bis zu 3 Tage an – ein einzelnes Glas Grapefruitsaft reicht dafür bereits aus. [2]


Andererseits ist bekannt, dass Grapefruit die Bioverfügbarkeit einiger Medikamente erheblich verändert (erhöht oder verringert). Diese Wirkungen können durch Interaktionen mit Enzymsystemen wie Cytochrom P450 oder mit aktiven Transportersystemen wie P-Glykoprotein und organische Anionen transportierenden Polypeptiden vermittelt werden. [14]

Diese Medikamente reagieren mit Grapefruit

Die Liste der Medikamente ist lang und enthält einige der am häufigsten verschriebenen Medikamentengruppen.

Cholesterinsenker (Statine)

Simvastatin und verwandte Wirkstoffe können durch Grapefruit gefährlich überdosiert werden. Der Körper kann die Medikamente zur Behandlung von hohem Cholesterinspiegel nicht mehr richtig abbauen.

Blutdruckmedikamente

Besonders Kalziumkanalblocker wie Amlodipin oder Nifedipin können durch Grapefruit verstärkt werden. Patienten, die ihren Bluthochdruck senken möchten, sollten besonders vorsichtig sein.

Immunsuppressiva

Transplantationspatienten aufgepasst: Cyclosporin und ähnliche Medikamente werden durch Grapefruit deutlich verstärkt. Es hat sich auch gezeigt, dass Pomelo mit bestimmten immunsuppressiven Medikamenten wie Tacrolimus interagieren kann: Selbst kleine Mengen Pomelosaft können bei Nierentransplantat-Empfängern den Tacrolimus-Spiegel im Blut erhöhen. [4]

Psychopharmaka

Von Anxiolytika bis Antidepressiva: Viele Psychopharmaka interagieren mit den Inhaltsstoffen der Grapefruit. Die Wechselwirkung zwischen diesen Zitrusfrüchten und Medikamenten ist hier besonders ausgeprägt. [3]

Die "Pille" und andere Hormonpräparate

Auch hormonelle Verhütungsmittel können betroffen sein. Wer die Pille nimmt, sollte den Zusammenhang zwischen Grapefruit und Pille mit dem Arzt/ der Ärztin besprechen.

Weitere betroffene Kombinationen

Wie Grapefruit mit Medikamenten interagiert: Echte Fälle zeigen die Gefahren

Ein Mann trinkt Grapefruit-Juice und liest auf dem Tablet

Wenn Grapefruit die Abbauprozesse im Körper blockiert, steigen die Medikamentenspiegel oft auf das Zwei- bis Dreifache der normalen Konzentration. Was harmlos klingt, kann dramatische Folgen haben – wie diese dokumentierten Fälle aus der medizinischen Forschung zeigen:


Fall 1 - Herzrhythmusstörungen durch Grapefruit: Eine Patientin kam mit Ohnmacht und Herzrhythmusstörungen in die Notaufnahme. Sie hatte regelmäßig große Mengen Grapefruitsaft getrunken. Als sie das Medikament Amiodaron gegen die Herzrhythmusstörungen erhielt, verschlimmerte sich ihr Zustand so stark, dass ein Elektroschock nötig wurde. Der Grapefruitsaft hatte verhindert, dass ihr Körper das Medikament normal abbauen konnte. Dadurch sammelte sich zu viel des Wirkstoffs in ihrem Blut an – mit lebensgefährlichen Folgen. [6]


Fall 2 - Blutdruckabfall: Ein 54-jähriger Mann nahm ein Blutdruckmittel ein. Die Wirkung der Grapefruit senkte seinen Blutdruck gefährlich. [7]


Fall 3 - Gewichtszunahme und Wassereinlagerungen: Eine 32-jährige Frau bemerkte eine Gewichtszunahme von 3 kg und geschwollene Knöchel. Sie trank täglich etwa einen Liter Grapefruitsaft. Ihre Kaliumwerte im Blut waren bedenklich niedrig. Nach dem Verzicht auf Grapefruitsaft normalisierten sich alle ihre Werte innerhalb von 30 Tagen, die Schwellungen verschwanden und sie verlor das zusätzliche Gewicht. Der Grapefruitsaft hatte ein wichtiges Enzym blockiert, das für den Hormonhaushalt zuständig ist. [8]


Fall 4 - Überdosierung mit Potenzmitteln: Bei älteren Menschen kann die Wirkung bestimmter Medikamente gegen erektile Dysfunktion (PDE5-Hemmer) durch Grapefruitsaft um 42 % gesteigert werden. Die maximale Konzentration des Medikaments im Blut steigt deutlich an.  Obwohl die Gesamtmenge des Medikaments im Körper über die Zeit gleich blieb, war die plötzliche Konzentrationsspitze bedenklich und hätte zu gefährlichen Nebenwirkungen führen können. [9]


Fall 5 - Blaue Flecken durch verstärkte Blutverdünnung: Ein 79-jähriger Mann, der die Medikamente Cilostazol und Aspirin zur Blutverdünnung einnahm, entwickelte plötzlich blaue Flecken (Purpura). Er hatte einen Monat lang Grapefruitsaft getrunken. Als er den Grapefruitsaft wegließ, verschwanden die blauen Flecken, obwohl er seine Medikamente weiternehmen konnte. Der Saft hatte die blutverdünnende Wirkung seiner Medikamente gefährlich verstärkt. [10]

Wer besonders gefährdet ist: Risikogruppen und Langzeitfolgen

Ein älterer Mann liest einen Medikamenten-Beipackzettel

Anders als bei einer klassischen Überdosierung kommt die Gefahr hier schleichend. Die Inhaltsstoffe der Grapefruit blockieren die Abbaumechanismen im Körper für mehrere Tage. Das bedeutet: Selbst wenn Sie nur morgens Grapefruitsaft trinken und abends Ihre Medikamente nehmen, kann sich der Wirkstoff in Ihrem Körper anreichern.

5 Patientengruppen müssen besonders vorsichtig sein:

1. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen

2. Diabetiker

3. Transplantierte Patienten

4. Patienten mit Mehrfachmedikation

Besonders heikel wird es bei der Einnahme mehrerer Medikamente.

Ein Beispiel: Maria (72) nimmt täglich:

Trinkt sie nun regelmäßig Grapefruitsaft, können sich die Wechselwirkungen gegenseitig verstärken. Ihr Körper muss nicht nur mit einem, sondern mit mehreren überdosierten Medikamenten aufgrund des Grapefruit-Konsums zurechtkommen.

5. Ältere Menschen

Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für gefährliche Wechselwirkungen:

So schützen Sie sich: Praktische Tipps für den Alltag

Verschaffen Sie sich einen Überblick:

Bringen Sie diese Liste zu Ihrem nächsten Arztbesuch mit. Die Wechselwirkung von Zitrusfrüchten mit Medikamenten ist vielen Ärzten und Ärztinnen bekannt, aber nicht immer im Fokus.

No-Gos und unbedenkliche Lebensmittel

Die meisten Zitrusfrüchte sind unbedenklich. Doch manche andere Zitrusfrüchte wie Pomelo können auf Medikamente ähnliche Wirkungen haben, wenn auch meist schwächer. Orangensaft und Medikamente vertragen sich dagegen meist besser. 


Es gibt, aber einige verarbeitete Getränke, die potenziell Grapefruit enthalten könnten.

Sicher zu konsumieren

Besser Vermeiden

Orangen

Grapefruit

Blutorangen

Pomelo

Mandarinen

Grapefruitsaft

Clementinen

"Exotic Mix" Säfte

Zitronen

Multivitaminsäfte mit Grapefruit

Limetten

Smoothies mit Grapefruit

Man sollte daher nicht sicherheitshalber alle Zitrusfrüchte vermeiden. Zum Beispiel kann Blutorange den Blutdruck senken, ohne mit Blutdruckmedikamenten zu interagieren. [11]

Grapefruit-Konsum zu “timen” hilft nicht

Ein häufiger Irrtum: Der zeitliche Abstand zwischen Grapefruit und Medikamenten spielt kaum eine Rolle. Die Inhaltsstoffe der Grapefruit beeinflussen Ihren Stoffwechsel für bis zu drei Tage. 

Das bedeutet:

Dokumentation ist der erste Schritt

Führen Sie ein Ernährungstagebuch, in dem Sie Ihre Mahlzeiten und besonders den Konsum von Zitrusfrüchten festhalten. Notieren Sie auch ungewöhnliche Reaktionen oder Veränderungen in Ihrem Befinden - diese Informationen sind für Ihren Arzt/Ihre Ärztin wertvoll. 

Regelmäßige Rücksprache mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin hilft, mögliche Wechselwirkungen früh zu erkennen und zu vermeiden.

Beipackzettel richtig lesen

Eine Frau liest einen Beipackzettel für Medikamente

Nehmen Sie sich Zeit für die Durchsicht der Beipackzettel Ihrer Medikamente. Achten Sie besonders auf Hinweise zu Grapefruit und anderen Zitrusfrüchten.


Die Wechselwirkungen zwischen Pomelo und Medikamenten sind ähnlich wie bei Grapefruit - auch darauf finden Sie meist Hinweise im Beipackzettel. Diese Informationen können sich bei neuen Medikamenten oder aktualisierten Beipackzetteln ändern.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie Ihren Apotheker - er kennt die Wechselwirkungen Ihrer Medikamente. Greifen Sie im Zweifelsfall zu alternativen Früchten wie Orangen oder Mandarinen. 

Denken Sie daran: Der Verzicht auf Grapefruit ist eine kleine Einschränkung im Vergleich zu den möglichen gesundheitlichen Risiken einer Wechselwirkung.

Fazit

Die Wechselwirkung zwischen Grapefruit und Medikamenten ist kein Mythos, sondern eine wissenschaftlich bewiesene Gefahr.\

Lesen Sie mehr:

Quellen:

  1. Bailey DG, Dresser G, Arnold JM. Grapefruit-medication interactions: forbidden fruit or avoidable consequences?. CMAJ. 2013;185(4):309-316. doi:10.1503/cmaj.120951

  2. Schmiedlin-Ren P, Edwards DJ, Fitzsimmons ME, et al. Mechanisms of enhanced oral availability of CYP3A4 substrates by grapefruit constituents. Decreased enterocyte CYP3A4 concentration and mechanism-based inactivation by furanocoumarins. Drug Metab Dispos. 1997;25(11):1228-1233. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9351897

  3. Siwek M, Krupa AJ, Woroń J. Interactions between grapefruit juice and psychotropic medications: an update of the literature and an original case series. Expert Opin Drug Metab Toxicol. 2024;20(5):333-345. doi:10.1080/17425255.2024.2352468 

  4. Egashira K, Ohtani H, Itoh S, et al. Inhibitory effects of pomelo on the metabolism of tacrolimus and the activities of CYP3A4 and P-glycoprotein. Drug Metab Dispos. 2004;32(8):828-833. doi:10.1124/dmd.32.8.828

  5. Mixing grapefruit with these 85 medications can be harmful—even deadly. advisory.com. 29. November, 2012. https://www.advisory.com/daily-briefing/2012/11/29/mixing-grapefruit-with-these-85-medications-can-be-harmful-even-deadly 

  6. Agosti S, Casalino L, Bertero G, Barsotti A, Brunelli C, Morelloni S. A dangerous fruit juice. Am J Emerg Med. 2012;30(1):248.e5-248.e2.48E8. doi:10.1016/j.ajem.2010.08.031

  7. Adigun AQ, Mudasiru Z. Clinical effects of grapefruit juice-nifedipine interaction in a 54-year-old Nigerian: a case report. J Natl Med Assoc. 2002;94(4):276-278. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11991343/ 

  8. Palermo M, Armanini D, Delitala G. Grapefruit juice inhibits 11beta-hydroxysteroid dehydrogenase in vivo, in man. Clin Endocrinol (Oxf). 2003;59(1):143-144. doi:10.1046/j.1365-2265.2003.01806.x 

  9. Lee M, Min DI. Determination of sildenafil citrate in plasma by high-performance liquid chromatography and a case for the potential interaction of grapefruit juice with sildenafil citrate. Ther Drug Monit. 2001;23(1):21-26. doi:10.1097/00007691-200102000-00005 

  10. Taniguchi K, Ohtani H, Ikemoto T, Miki A, Hori S, Sawada Y. Possible case of potentiation of the antiplatelet effect of cilostazol by grapefruit juice. J Clin Pharm Ther. 2007;32(5):457-459. doi:10.1111/j.1365-2710.2007.00844.x 

  11. Corrêa TAF, Tobaruela EC, Capetini VC, et al. Blood orange juice intake changes specific bacteria of gut microbiota associated with cardiometabolic biomarkers. Front Microbiol. 2023;14:1199383. Published 2023 Jul 4. doi:10.3389/fmicb.2023.1199383 

  12. Bodiford AB, Kessler FO, Fermo JD, Ragucci KR. Elevated international normalized ratio with the consumption of grapefruit and use of warfarin. SAGE Open Med Case Rep. 2013;1:2050313X13511602. Published 2013 Nov 19. doi:10.1177/2050313X13511602

  13. Banfield C, Gupta S, Marino M, Lim J, Affrime M. Grapefruit juice reduces the oral bioavailability of fexofenadine but not desloratadine. Clin Pharmacokinet. 2002;41(4):311-318. doi:10.2165/00003088-200241040-00004

  14. Seden K, Dickinson L, Khoo S, Back D. Grapefruit-drug interactions. Drugs. 2010;70(18):2373-2407. doi:10.2165/11585250-000000000-0000

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