Frauen und Corona
Seit dem Ausbruch des Coronavirus Ende 2019 hat die Pandemie weltweit Leben, Gesundheitssysteme und Gesellschaften tiefgreifend verändert. Trotz großer Fortschritte in Forschung, Diagnostik und Impfstoffentwicklung sind viele Langzeitfolgen – insbesondere das komplexe Long-COVID-Syndrom mit über 200 möglichen Symptomen – weiterhin nicht vollständig verstanden. Aktuelle Studien zeigen, dass bis zu 40 % der Infizierten auch Monate nach der akuten Erkrankung unter anhaltenden Beschwerden leiden.
Unterscheidet sich Corona bei Frauen und Männern?
Das Coronavirus SARS-CoV-2 wirkt sich unterschiedlich auf Männer und Frauen aus. Männer weisen eine deutlich höhere Hospitalisierungs- und Sterblichkeitsrate auf, während Frauen häufiger von langfristigen Folgen einer COVID-19-Erkrankung betroffen sind.
Zu den wichtigsten Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf zählen das biologische Geschlecht, das Alter sowie Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Männer erleiden etwa doppelt so häufig wie Frauen eine schwere oder tödliche Infektion mit SARS-CoV-2. [1]
COVID-19 kann möglicherweise die männliche Fruchtbarkeit vorübergehend beeinträchtigen, etwa durch Schädigung des Hodengewebes oder eine Störung der Spermienbildung (Spermatogenese). [2] Darüber hinaus wurde bei infizierten Männern im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen ein niedrigeres Verhältnis von Testosteron zu LH sowie von FSH zu LH festgestellt. [3] Aktuelle Studien deuten außerdem auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einer COVID-19-Erkrankung und einem erhöhten Risiko für Prostatakrebs bei Männern hin.
Frauen litten während der COVID-19-Pandemie deutlich häufiger unter Depressionen und Angstzuständen als Männer und berichteten von einer geringeren Lebensqualität in körperlicher wie auch psychischer Hinsicht. Mögliche Ursachen dafür könnten in den sozialen Rollen liegen, die Frauen häufig übernehmen. Die langfristige Einschränkung im Alltag führte bei vielen zu erhöhter emotionaler Belastung. Zudem hatten viele das Gefühl, sich nicht vollständig von der Erkrankung zu erholen – was sich negativ auf ihr Wohlbefinden auswirkte. Darüber hinaus zeigten Frauen häufiger Symptome einer Corona-Erkrankung und litten signifikant öfter an neurologischen Folgeerscheinungen als Männer. [4]
Auswirkungen der langen Corona bei Frauen auf die Reproduktionsgesundheit
Von postakuten Folgen von COVID-19, die umgangssprachlich als long COVID bezeichnet werden, spricht man, wenn sich jemand von der akuten Corona erholt, aber noch Monate danach eine Reihe von Symptomen aufweist. Long COVID ist häufiger bei Frauen anzutreffen.
Long COVID kann die reproduktive Gesundheit von Frauen auf verschiedenen indirekten Wegen beeinflussen. Die Erkrankung kann die Funktion der Eierstöcke stören, was zu veränderten Östrogenspiegeln und einer abgeschwächten entzündungshemmenden Wirkung führen kann. Auch die Schilddrüsenfunktion kann beeinträchtigt werden – mit Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Sexualhormone. In schweren Fällen wurde zudem eine Nebenniereninsuffizienz beobachtet. Da die Nebennieren geringe Mengen an Östrogen produzieren, kann deren Funktionsstörung zusätzlich hormonelle Ungleichgewichte begünstigen.
Auf zellulärer Ebene kann SARS-CoV-2 die Qualität des Eierstockgewebes und der Eizellen beeinträchtigen, was den Eisprung stören und das Risiko für Eizellen mit Chromosomenstörungen erhöhen kann.
Obwohl das Virus selbst die weiblichen Fortpflanzungsorgane nicht direkt infiziert, können Immunreaktionen und Stressprozesse den Hormonhaushalt verändern – was sich wiederum auf den Menstruationszyklus und das hormonelle Profil auswirken kann. Dennoch zeigen bisherige Studien, dass die ovarielle Reaktion auf hormonelle Stimulation sowie die Embryonalentwicklung nach einer Infektion oder Impfung in der Regel nicht signifikant beeinträchtigt sind. [13]
Corona in der Schwangerschaft und Stillzeit
Schwangere und Corona – eine Infektion während der Schwangerschaft kann das Risiko für Komplikationen wie Frühgeburt oder Präeklampsie erhöhen, weshalb eine engmaschige medizinische Betreuung empfohlen wird.
Ein Ärzteteam in Seattle unter der Leitung von Dr. Samantha Piekos hat untersucht, welche Auswirkungen eine Infektion mit Corona in den drei Schwangerschaftsdritteln hat. Dazu wurden 74.000 Schwangere untersucht, von denen 19.796 ungeimpft waren und niemals einen positiven Test hatten. [5]
882 Frauen hatten eine Covid-Infektion und erlitten milde bis mittelschwere Verläufe. Vor allem bei einer Infektion im 1. oder 2. Schwangerschaftsdrittel traten häufiger Früh- und Totgeburten auf als bei den nicht-infizierten Müttern. Je früher die Infektion auftrat, umso kürzer war die Dauer der Schwangerschaft. Daher sollten Frauen, die kurz vor der Schwangerschaft oder in der frühen Schwangerschaft eine Corona aufweisen, sorgfältig überwacht werden.
Bei einer späteren Infektion im 3. Drittel erhöhte sich hauptsächlich das Risiko für ein untergewichtiges Kind im Vergleich zu Nichterkrankten bei gleicher Schwangerschaftsdauer.
Auch wenn die Mutter nur leichte Symptome zeigt, kann eine SARS-CoV-2-Infektion ein Risiko für das Baby darstellen – insbesondere in sensiblen Phasen der Schwangerschaft, weshalb das Thema ‚Baby Corona‘ zunehmend in den Fokus rückt. Umso wichtiger ist die Impfempfehlung für Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch.
In der Muttermilch findet man zwar genetisches, aber kein infektiöses Restmaterial des Coronavirus. Bei bestehendem Impfschutz werden schützende Antikörper über die Plazenta und die Muttermilch weitergegeben. Es kann und sollte also gestillt werden unter Beachtung der empfohlenen Hygienemassnahmen.
Corona-Impfung und die Fruchtbarkeit
Dr. Amelia K. Wesselink und ihr Team suchten nach Zusammenhängen zwischen Corona-Impfung, SARS-CoV-2-Infektionen und Fruchtbarkeit. Dazu wurden 2126 Paare mit Kinderwunsch untersucht, die eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege anstrebten. [6]
58% der Frauen und 78% der Männer waren mindestens einmal geimpft, meist mit Biontech oder Moderna. Ansonsten waren die Paare bezüglich aller Faktoren wie Alter, Bildung, Gesundheitsfaktoren und Sexhäufigkeit vergleichbar.
Untersucht wurde die Zykluslänge der Frau und die Dauer bis zur Empfängnis. Weder bei den Frauen noch bei den Männern gab es signifikante Unterschiede zwischen den Geimpften und den Ungeimpften.
Bei den infizierten Männern sank jedoch die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Schwangerschaft bei der Partnerin sehr schnell ab. Erst nach 60 Tagen erreichten sie wieder dieselbe Fruchtbarkeit wie vorher.
Studien zeigen, dass die COVID-Impfung den Zyklus der Frau vorübergehend beeinflussen kann, etwa durch eine leichte Verlängerung oder stärkere Menstruationsbeschwerden. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass auch andere Merkmale wie verstärkte Regelschmerzen, veränderte Blutungsstärke oder Zwischenblutungen auftreten können. [7]
Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Einschränkung der Fruchtbarkeit nicht nachgewiesen ist und die Erkrankung weitaus schwerwiegende Folgen hat als die Corona-Impfung. Deshalb kann die Impfung gegen Covid 19 uneingeschränkt auch Schwangeren, Stillenden und Frauen mit Kinderwunsch empfohlen werden. [8]
Gesundheitliche Folgen von COVID-19 für Frauen
Corona kann bei Frauen nicht nur die Fruchtbarkeit oder den Zyklus beeinflussen, sondern auch andere körperliche und seelische Beschwerden auslösen.
Viele Betroffene berichten nach der Infektion über Haarausfall, anhaltende Erschöpfung (Fatigue), Konzentrationsstörungen („Brain Fog“) und Schlafprobleme. Auch Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen und Herzrasen treten häufiger auf. Psychisch leiden viele Frauen unter Angstzuständen, depressiven Verstimmungen oder einem Gefühl der Überforderung – oft verstärkt durch die Belastung im Alltag oder familiäre Verantwortung.
Diese Symptome können Teil von Long Covid sein und Wochen bis Monate andauern.
Haarprobleme
Haarprobleme gelten als häufige Folge einer überstandenen COVID-19-Erkrankung, insbesondere bei Frauen. In einer Studie, die mit Hilfe der Trichoskopie durchgeführt wurde, zeigte sich, dass etwa 61,4 % der infizierten Frauen nach der Infektion unter Haarausfall litten. [11] Die Ursachen können direkt durch das Virus - etwa durch Schädigung der Haarfollikel - oder indirekt durch hormonelle Veränderungen, Störungen des Immunsystems, Stress oder allgemeine körperliche Schwäche bedingt sein. Zu den beobachteten Symptomen gehören vermehrtes telogenes Effluvium, vermehrtes graues Haar und plötzlicher Haarausfall bei einer Frau nach Corona.
Schlafstörungen
Schätzungsweise 10–20 % der Menschen entwickeln nach einer COVID-19-Erkrankung länger anhaltende Beschwerden, zu denen häufig auch Schlafstörungen zählen. Die Häufigkeit dieser Schlafprobleme variiert stark und liegt zwischen 6 % und über 70 %. Untersuchungen zeigen, dass anhaltende Corona-Symptome bei Frauen häufiger auftreten als bei Männern, und das Risiko für Post-COVID-Beschwerden mit zunehmendem Alter steigt. Besonders betroffen sind Frauen unter 50 Jahren, die einen schweren Krankheitsverlauf hatten – sie berichten häufiger von schlechteren gesundheitlichen Langzeitfolgen. [12]
Bluthochdruck bei Frauen als Folge von Corona
Aktuelle Studien zeigen, dass Long COVID bei Frauen häufiger mit Herz-Kreislauf-Komplikationen wie Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) einhergehen kann. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Verschlechterung bereits bestehender Hypertonie, sondern auch um neu auftretenden Bluthochdruck nach der Infektion. Die genauen Mechanismen sind noch nicht vollständig geklärt, doch es wird vermutet, dass anhaltende Entzündungsreaktionen, eine gestörte Gefäßregulation (Endothelfunktion) sowie hormonelle Veränderungen – etwa durch eine Beeinträchtigung der Östrogenwirkung – eine Rolle spielen. [14]
Welche gesellschaftlichen Folgen hat die Corona-Pandemie bei Frauen?
In fast allen Ländern wurden im Rahmen des lock-downs die Schulen geschlossen.
1,5 Milliarden Kinder konnten nicht zur Schule gehen. Ein Online Unterricht war nur in entwickelten Ländern verfügbar. So entstand eine Bildungslücke vor allem in den ärmeren Ländern, wodurch vor allem Mädchen wiederum überproportional betroffen waren. Da den Eltern oft das Verständnis für die Wichtigkeit einer guten Ausbildung fehlte und auch aus wirtschaftlicher Not heraus, wurden Mädchen jünger verheiratet und damit stieg auch die Schwangerschaftsrate bei Jugendlichen. Im Rahmen der Ebola-Epidemie in Westafrika wurden 2014 - 2016 65% mehr Schwangerschaften bei Jugendlichen erhoben. [9]
Die Mehrfachbelastung durch Haushalt, Beruf, Betreuung der Kinder beim home schooling und gegebenenfalls Pflege von Erkrankten betraf vor allem Frauen.
Während des lock-downs gab es deutlich mehr Fälle häuslicher Gewalt, unter der vor allem Frauen litten. [10]
Zusammenfassend muss man sagen, dass Frauen durch spezielle berufliche Risiken als Pflegerinnen, Erzieherinnen, Lehrerinnen, Verkäuferinnen usw., durch ihre Tätigkeit in der häuslichen Pflege und Unterrichtung und des trotz milderer Verläufe höheren Risikos eines Long Covid Syndroms in besonderer Weise durch die Pandemie beeinträchtigt wurden.
Fazit
Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, wie eng physische, psychische und soziale Faktoren miteinander verknüpft sind – insbesondere im Bereich der Frauengesundheit. Von schweren Corona-Symptomen bei Frauen bis hin zu langfristigen Komplikationen, einschließlich Effekt von Corona auf die Fruchtbarkeit einer Frau, der Auswirkungen auf die psychische und sexuelle Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden, müssen die Auswirkungen von Corona auf Frauen noch erforscht werden. Wird eine Frau positiv auf Corona getestet, sollte besonders in der Schwangerschaft oder bei bestehenden Vorerkrankungen eine engmaschige ärztliche Betreuung erfolgen.
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Quellen:
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