Fortschritte in der Urologie, häufige Probleme und Lösungen
Wir freuen uns, Ihnen PD Dr. med. Marcus Horstmann vorzustellen – Chefarzt der Klinik für Urologie, Uroonkologie, minimal-invasive und robotische Chirurgie am Klinikum Gütersloh, gGmbH. Als erfahrener Urologe vereint er umfassende Expertise aus der klinischen Praxis mit wissenschaftlicher Forschung.
In einem exklusiven Interview teilt Dr. Horstmann sein fundiertes Fachwissen über urologische Erkrankungen und gibt wertvolle Einblicke aus erster Hand.
Was ist Ihre größte Angst im Arztberuf?
Von Angst würde ich nicht unbedingt sprechen, da sie für die täglichen Entscheidungen im Operationssaal und am Patientenbette ein schlechter Ratgeber ist. Vielmehr festigt sich mit zunehmender Erfahrung ein hoher Respekt vor jedem noch so „kleinen“ Eingriff ein. Hierfür braucht es ein Höchstmaß an Präzision und Routine, damit möglichst wenige Komplikationen auftreten und wenn sie doch, sie optimal gemanagt werden. All das hält einen doch tagtäglich in hoher aber hoffentlich gesunder Anspannung.
Welche Erfahrungen haben Sie mit minimalinvasiven urologischen Eingriffen, wie laparoskopischen oder robotergestützten Verfahren?
An unserer Klinik führen wir viele urologische roboterassistierte Operationen durch. Die häufigsten Indikationen sind die radikale Prostatektomie und Nierenteilentfernungen. Vorteile für Patienten, sind, dass minimalinvasive Operationsverfahren mit weniger Schmerzen und weniger Blutverlust auch bei hochkomplexen Operationen sehr erfolgreich genutzt werden können. Unserer Erfahrung nach sind die onkologischen und funktionellen Ergebnisse der robotischen Eingriffe dabei sehr gut. Dazu kommt, dass die Robotik Chirurgen ein entspannteres Operieren ermöglicht, da die Arbeitshaltung an der Robotikkonsole deutlich ergonomischer ist als beim offenen oder laparoskopischen Operieren.
Sie sind Mitautor einer umfassenden Studie über Blasenkrebs im Frühstadium (UROMOL-Projekt). Was war das wichtigste Ergebnis dieser Studie, das die Behandlungsergebnisse für Patienten mit Blasenkrebs beeinflussen kann?
Das Uromol Projekt und der Leitung von Herrn Professor Dyrskiot aus Aarhus, Dänemark beschäftigt sich mit der molekularen Subtypisierung von Blasentumoren. Bisher findet die klinische Einteilung der Tumoren in Risikogruppen vor allem anhand der feingeweblichen Gewebefunde und des Tumorstadiums (TNM -Stadium) statt. Das Uromol Projekt hat mit seinen Publikationen zu einem besseren Verständnis der molekularen Mechanismen beim Blasenkrebs beigetragen. Diese Daten sollen dabei helfen exaktere molekulare Prognosegruppe zu bilden und möglicherweise neue Ansätze für gezielte Therapien im Sinne einer Präzisionsonkologie zu finden.
Welche Warnsignale sollten Männer und Frauen in Bezug auf Harnwegsinfektionen ernst nehmen?
Harnwegsinfektion mit Fieber sind meist verbunden mit der Entzündung urologischer Organe, wie der Nieren (Pyelonephritis), Prostata (Prostatitis) oder den Hoden (Orchitis). Wichtig hierbei sind eine ausreichend lange und möglichst gezielte antibiotische Therapie sowie ausreichende Schonung, damit Infektionen erfolgreich auskuriert werden. Infektionen, die über einen einfachen einmaligen Harnwegsinfekt der Frau hinausgehen, sollten - gerade, wenn hierbei blutiger Urin auftritt (Makrohämaturie) - urologisch weiter abgeklärt werden.
Wie häufig tritt Prostatakrebs auf, und welche neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden gibt es?
Das Prostatakarzinom ist der häufigste Krebs bei Männern. In Deutschland werden etwa 70.000 Patienten pro Jahr neu mit dieser Diagnose konfrontiert. Mit dem Einzug der multiparametrischen Magnetresonanztomographie der Prostata (mpMRT) in Kombination mit gezielten Biopsien, können Tumoren mittlerweile deutlich präzisier diagnostiziert und klassifiziert werden. Dies ermöglicht, dass heutzutage deutlich genauer entschieden werden kann, welche Patienten von den klassischen kurativen Therapieoptionen, nämlich einer radikalen Prostataentfernung oder einer externen Strahlentherapie (Radiatio), profitieren und welche nicht.
Welche Fehlinformationen oder Mythen über die Urologie begegnen Ihnen häufig?
Nach wie vor ist vielen nicht ganz klar, was Urologen alles machen und wie breit aufgestellt unser Fachgebiet ist. Wenn man es erklärt sind viele erstaunt und stellen fest, dass man eben doch nicht nur der „Pipidoktor“ ist.
Welche Rolle spielen Künstliche Intelligenz und neue Technologien in der Diagnostik?
Bei uns ist die „künstlichen Intelligenz (KI)“ noch nicht im klinischen Routineeinsatz. Klar ist aber, dass in Zukunft viele Aufgaben in der Klinik durch KI bewältigt werden. Besondere Chancen sehe ich in der Vorbefundung standardisierter radiologischer oder feingeweblicher Untersuchungen.
Wann sollten Männer mit der Prostatavorsorge beginnen, und wie oft sollte sie durchgeführt werden?
Grundsätzlich sollten sich Männer erst einmal mit dem Thema beschäftigen und auseinandersetzten.
Sollten sich ein Mann dann in Kenntnis der Vor- und Nachteile einer PSA gestützten Früherkennung hierfür entscheiden, wird nach unserer deutschen S3 Leitlinie eine PSA-Bestimmung ab dem 45. Lebensjahr empfohlen. Bei Männern mit positiver Familienanamnese wird sie ab dem 40. Lebensjahr empfohlen. Wie häufig die Werte dann kontrolliert werden müssen, ist unterschiedlich und hängt von der Höhe der PSA-Werte ab.
Wie beeinflusst der Lebensstil die urologische Gesundheit?
Ein gesunder Lebensstil wirkt sich quasi auf alle Bereiche der urologischen Gesundheit aus.
- Nicht zu rauchen, reduziert das Risiko für Blasen- und Nierenkrebs und schützt vor Impotenz.
- Eine ausreichende Trinkmenge, Normalgewicht und Bewegung reduzieren das Risiko für Steinleiden.
- Über- und Fehlernährung erhöhen das Prostatakrebsrisiko.
- Eine ausreichende Trinkmenge beugt Harnwegsinfekten vor.
- Ein gesunder Lebensstil kann vor Impotenz schützen und reduziert prostatabedingte Beschwerden beim Wasserlassen.
- Ein gesunder Lebensstil als Nichtraucher mit ausreichender Bewegung und gesundem Schlaf hilft, Erektionsstörungen zu verhindern.
- Ein kräftiger Beckenboden reduziert das Risiko der Harninkontinenz.
Was war der beste Ratschlag, den Sie in Ihrer Karriere erhalten haben, und welchen Rat würden Sie denen geben, die in Ihre Fußstapfen treten?
Die medizinische Karriere als Marathonlauf sehen und ihn mit klaren Ziel anzugehen.