Frauen und Testosteron

Testostero

 

 Bei dem Wort "Testosteron" kommen einem sofort muskelbepackte Bodybuilder, wallende Bärte, tiefe Bassstimmen, aufheulende Motoren, Aggressivität und ähnliches in den Sinn. Als typisch männliches Geschlechtshormon verbindet man es eher nicht mit Frauen. Höchstens beim Doping von Sportlerinnen fällt gelegentlich der Name. So wurde bei der Olympiade 1976 in Montreal der Trainer der DDR-Damenschwimmmannschaft gefragt, wieso seine Sportlerinnen so tiefe Stimmen hätten, worauf er antwortete, sie seien zum Schwimmen da und nicht zum Singen.

Aber Testosteron spielt eine wichtige Rolle auch im weiblichen Stoffwechsel und ist verantwortlich für viele erwünschte und leider auch unerwünschte Funktionen.

Tatsächlich ist Testosteron nur eines von vielen sogenannten Androgenen, die eher vermännlichende Wirkungen haben. Unter anderem zählen dazu Androstan, Androstendion, 

DHEA, DHEAS und viele weitere. Das Wort leitet sich ab aus testis (Hoden) und Steroid (Form des Moleküls). 1930 versuchte Adolf Butenandt das männliche Sexualhormon aus Stierhoden zu gewinnen, was ihm nur teilweise gelang. Endgültig schaffte das Ernst Laqueur 1935 und er schuf auch den Namen Testosteron. Bei Männern wird es im Hoden produziert, bei Frauen in den Thekazellen der Eierstöcke. Bei beiden Geschlechtern wird es außerdem in geringem Maße in der Nebennierenrinde gebildet. Die Behauptung, dass Testosteron auch im Fettgewebe produziert wird und deshalb adipösere Frauen höhere Spiegel haben, ist so nicht richtig. Es gibt einen Zusammenhang von Testosteron und dem Fettstoffwechsel regulierenden Hormon Leptin. Außerdem kann über das Insulin und eine genetische Veränderung die Androgenproduktion gesteigert werden und gleichzeitig der Fettaufbau. Es ist also ein gleichzeitiges Auftreten von erhöhtem Testosteronspiegel und Fettleibigkeit und keine Folge.

Beim Mann sorgt Testosteron für das "männliche Aussehen", Wachstum der Muskulatur und die Produktion von Spermien. Außerdem wird das Bartwachstum gefördert, allerdings nicht das Wachstum des Kopfhaars, dieses fällt sogar eher aus. Die Knochenbildung wird gefördert, das Knochenmark aktiviert, die roten Blutkörperchen vermehren sich und nicht zuletzt wird das sexuelle Verlangen (Libido), Antrieb und Ausdauer gestärkt, aber auch ein dominantes und aggressives Verhalten.

Die natürlicherweise bei Frauen auftretenden Testosteronspiegel reichen für diese äußerlich sichtbaren Veränderungen nicht aus, treten aber bei von außen zugeführtem Hormon oder krankhaft gesteigerter Produktion auf und sind oft nicht mehr rückgängig zu machen.

Bei Tieren sind unter Testosteron Wirkungen wie Imponier- und Kampfverhalten, sowie Begattungsdrang nachzuweisen. Beim Menschen sind diese Effekte deutlich weniger zu beobachten, da sie mehr der erzieherischen und sozialen Kontrolle unterliegen. Interessanterweise führte die Hormongabe bei Frauen dazu, dass sie bei einem Verhandlungsexperiment fairere Angebote machten, während Männer in der gleichen Situation finanziell deutlich höher abschnitten. In der komplexen menschlichen Gesellschaft erreicht oder behält man einen höheren Status eher durch soziales Verhalten als durch Aggressivität. Ein höherer Testosteronspiegel ist eine wesentliche Triebfeder für einen höheren Status, der junge Bulle vertreibt den alten und wird der Boss.

Der Normbereich für Männer liegt bei 12 - 40 nmol/l, dabei höher für junge Männer, niedriger vor der Pubertät und bei älteren Männern. Bei Frauen sind sie um das 20-fache geringer, variieren aber mit dem Menstruationszyklus und dem Body-Mass-Index. Bei beiden Geschlechtern ändern sich die Werte über den Tag und sind morgens am höchsten, nachmittags am niedrigsten. Deshalb sollten bei Frauen die männlichen Hormone am 2.-4. Zyklustag zwischen 8 und 9 Uhr bestimmt werden, um eine standardisierte Beurteilung zu ermöglichen.

Ein verringerter Testosteronspiegel hat bei Frauen zunächst keinen Krankheitswert, allerdings kann die Libido erheblich nachlassen. Man könnte versuchen, den Spiegel mittels Pflaster, Gel oder Spritzen zu steigern. Da diese Behandlungen mit deutlichen Vermännlichungserscheinungen einhergingen und auch mögliche Krebsrisiken diskutiert wurden, verschwanden die meisten Präparate vom Markt. Auch war der therapeutische Erfolg nur gering. Die Beobachtungsdauer war zu kurz, um Krebsrisiken wirklich nachzuweisen. Eine Anwendung während der Schwangerschaft hätte auch Vermännlichungserscheinungen von weiblichen Feten zur Folge. Im Rahmen von Geschlechtsumwandlungen Frau zu Mann stehen Präparate mit höherer Dosierung zur Verfügung, wie sie auch in der Therapie bei Männern eingesetzt werden.

Ein erhöhter Testosteronspiegel kann zunächst unerwünschte äußerlich sichtbare Effekte nach sich ziehen, Größenwachstum, Haarwuchs außer am Kopfhaupthaar (dort fallen die Haare eher aus), Akne, tiefere Stimme, unangenehme Libidosteigerung. Ein solch krasser Befund lässt außer an von außen zugeführtem Testosteron auch an einen hormonbildenden Tumor denken.

Viel häufiger sind Zyklusstörungen und eine ausbleibende Schwangerschaft bei Kinderwunsch.

Auch nur gering erhöhte männliche Hormone können die Eizellreifung behindern und zählen zu den häufigsten Gründen für eine Kinderwunschbehandlung. Sollte dies der einzige Grund für die ausbleibende Schwangerschaft sein, lässt sich diese Störung meist mit relativ einfachen medikamentösen Therapien erfolgreich behandeln. Oft liegt ein PCO-Syndrom (polyzystische Ovarien) vor, das heißt, der Eierstock weist zahlreiche kleine Zystchen auf, aus denen sich nur selten oder gar nicht eine befruchtungsfähige Eizelle entwickelt.

Haarwuchs (Hirsutismus), Haarausfall am Kopf und Akne kann man recht gut mit Testosteron unterdrückenden, sogenannten "antiandrogenen" Antibaby-Pillen therapieren.

Selbst bei normalen Testosteronwerten lohnt sich bei Haarausfall eine solche Therapie, da er häufig auf Testosteron überempfindliche Haarwurzelzellen zurück zu führen ist.

Beim Adrenogenitalen Syndrom (AGS), einer angeborenen Störung der Nebennierenrinde, kommt es zu einer verminderten Bildung von Cortisol und einer gesteigerten von männlichen Hormonen. Dabei erscheint ein Mädchen schon bei der Geburt mit deutlich männlichen Geschlechtsmerkmalen, sodass oft die Entscheidung, ob es sich um ein männliches oder weibliches Geschlecht handelt, oft nur mittels einer Chromosomenanalyse erfolgen kann. Im weiteren Verlauf kommt es oft zu extremem Haarwuchs, Akne, tiefer Stimme, Ausbleiben der Regelblutung und kleinerem Körperwuchs, da sich durch die frühe Pubertät die Wachstumsfugen vorzeitig verschließen. Insgesamt erscheinen diese Frauen sehr männlich. Wird die Krankheit rechtzeitig erkannt, kann diese Entwicklung durch die Gabe von unter anderem Cortisol weitgehend vermieden werden. Das klassische Bild tritt in ca. 1 zu 10.000 aller Geburten auf.

Das Gegenteil davon ist die testikuläre Feminisierung, die "haarlose Frau". Sie tritt in 1 zu 20.000 Geburten auf und resultiert aus der Tatsache, dass die Körperzellen eines eigentlich männlichen Individuums nicht auf Testosteron reagieren. Diese Männer sehen aus wie Frauen, oft auch mit langer Kopfbehaarung, und wachsen als Mädchen auf. Die Kinder fallen entweder durch vorgewölbte Schamlippen durch die nicht vollständig abgesenkten Hoden auf, oder erst in der Pubertät durch das Ausbleiben der Regelblutung. Fast immer werden die Hoden wegen des Entartungsrisikos bei Verbleib im wärmeren Bauchraum operativ entfernt und die weitere hormonelle Gabe richtet sich nach der von der betroffenen Person gewünschten Entwicklung als Mann oder Frau.

Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die sexuelle Orientierung, also hetero-, bi-, homosexuell usw. nur in sehr geringem Masse hormonell beeinflusst ist, sodass es sich bei diesen keinesfalls um irgendwelche Störungen des Stoffwechsels handelt.

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