Antibabypille und Thrombose
Als die Antibabypille im Jahre 1960 in den USA und in 1961 in Deutschland eingeführt wurde, handelte es sich um nichts weniger als eine sexuelle Revolution. Zwar war die Pille zunächst nur verheirateten Frauen vorbehalten und es dauerte noch mindestens 15 Jahre bis sie flächendeckend für alle verfügbar war, doch die ständige Angst, bei jedem Geschlechtsverkehr wieder schwanger werden zu können, war zunächst einmal gebannt.
Die Vorgeschichte des Mythos von den Pillen und der Thrombose
Natürlich gab es Vorbehalte in der Gesellschaft: moralische Vorbehalte, die Antibabypille könnte der Untreue Vorschub leisten, Frauen könnten es nun "treiben", mit wem sie wollten, usw., welche im Jahre 1970 in der Enzyklika "Humanae vitae" von Papst Paul VI ihren Höhepunkt erreichten.
Jedoch gab es auch gesundheitliche Bedenken. Immerhin wurde ein wirksames Medikament von einer Vielzahl junger, gesunder Frauen täglich eingenommen, ohne dass man sich über die Langzeitfolgen im Klaren war.
Genau aus dieser Zeit, stammen noch immer viele Mythen und Vorurteile, welche unkritisch von der Großmutter an die Mutter und schließlich an die Tochter weitergegeben wurden. Es gibt viele Mythen über Verhütung und Gesundheit, wie zum Beispiel die Annahme, dass die Verwendung von Verhütungsmitteln das Risiko von Unfruchtbarkeit erhöht oder dass hormonelle Verhütungsmittel das Krebsrisiko erhöhen können. Deutlich sichtbar wird das anhand der vielen Fragen, auch FAQ´s genannt, die heute vor allem im Internet zu finden sind.
Wenden wir uns einer der wichtigsten Fragen zu: die Antibabypille und Thrombose.
Die Pille und die Thrombose – was ist ihr eigentliches Zusammenspiel?
Thrombose gilt als mögliche Nebenwirkung der Antibabypillen, insbesondere im Zusammenhang mit kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK). Thrombosen sind Blutgerinnsel, die sich in den Venen oder Arterien bilden können und zu einem teilweise oder vollständigen Verschluss des Blutgefäßes führen können. Ein Blutgerinnsel in der Lunge, kann zu einer Lungenembolie führen, die potenziell lebensbedrohlich ist. Thrombosen im Gehirn bezeichnet man auch als eine Form des Schlaganfalls.
Studien haben gezeigt, dass die Verwendung von kombinierten oralen Kontrazeptiva also Verhütungsmitteln, die eine Kombination aus Östrogen und Gestagen enthalten, das Risiko für die Entstehung von Thrombosen erhöhen kann. Es wird angenommen, dass dies aufgrund des Einflusses des Östrogens auf die Blutgerinnungsfaktoren im Körper geschieht.
Laut einer systematischen Überprüfung und Meta-Analyse, beträgt das geschätzte Risiko für eine venöse Thromboembolie bei Frauen, die KOK verwenden, etwa 5 bis 12 Fälle pro 10.000 Frauenjahre im Vergleich zu etwa 2 bis 5 Fällen pro 10.000 Frauenjahre bei Frauen, die keine KOK verwenden.[1]
Thrombose-Risiko ist bei verschiedenen Hormonen in Antibabypillen unterschiedlich hoch
Die verschiedenen Hormone in der Pille sind mit einem unterschiedlich hohen Thrombose-Risiko verbunden. Einige Studien haben gezeigt, dass die kombinierte orale Empfängnisverhütung mit Drospirenon (ein Gestagen) ein höheres Risiko für venöse Thromboembolien aufweist als Präparate mit Levonorgestrel [2]. Für eine arterielle Thrombose gab es jedoch kaum Hinweise auf ein höheres Risiko bei Drospirenon im Vergleich zu Levonorgestrel-Verhütungsmitteln. [3]
Allerdings ist das Thrombose-Risiko durch die Verwendung der Antibabypille im Vergleich zu anderen Risikofaktoren relativ gering. Z.B. ist das Risiko, in der Schwangerschaft eine Thrombose zu bekommen, mit 20-30 auf 10.000 Frauenjahre um das 4-15 fache höher als bei Nichtschwangeren.
Es ist daher wichtig, dass Frauen vor der Benutzung der Pille, das individuelle Risiko mit einem Arzt besprechen, und alternative Verhütungsmethoden in Betracht ziehen, falls sich bei ihnen ein erhöhtes Risiko für Thrombosen feststellen lässt. Solchen, bei denen bereits ein erhöhtes Risiko festgestellt wurde, oder die sogar schon Thrombose hatten, wird geraten, auf die Nutzung der Antibabypille zu verzichten.
Faktoren, die das Thrombose-Risiko bei Anwenderinnen von Antibabypillen begünstigen
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Frauen ab einem bestimmten Alter, Raucherinnen, Übergewichtige oder solche, die eine familiäre Vorgeschichte von Thrombosen haben, ein höheres Risiko für Thrombosen haben.
Folgende Risikofaktoren können das Thromboserisiko bei Benutzerinnen von Antibabypillen erhöhen:
Rauchen
Rauchen erhöht das Thromboserisiko generell und kann das Risiko bei Anwenderinnen von Antibabypillen noch weiter erhöhen. [4]
Übergewicht und Adipositas
Auch Übergewicht kann das Risiko für Thrombosen erhöhen. Eine Studie ergab, dass das Risiko für venöse Thromboembolien bei Frauen die KOK nehmen, höher war, wenn sie übergewichtig waren. [1]
Alter
Grundsätzlich gilt: Mit dem Alter einer Frau steigt ihr Thromboserisiko. Wird dann auch noch die Antibabypille zur Verhütung verwendet, steigt das Risiko deutlich an, venöse Thromboembolien zu entwickeln [5].
Familiäre Vorbelastung
Sollte es in der Familie bereits eine Historie von Thrombosen oder Gerinnungsstörungen geben, steigt auch dadurch das Risiko für das Auftreten einer Thrombose.
Der Grund hierfür können angeborene Veränderungen sein, welche eine Thrombose begünstigen. Da man nicht jede Pillenanwenderin mit umfangreichen Blutuntersuchungen daraufhin abklären kann, beschränkt man sich darauf, nach Thromboseereignissen in der Familie zu fragen. Über die Vererbung haben meist mehrere nahe Verwandte bereits in jungen Jahren eine solche Verstopfung erlitten. Diese Frauen werden dann eingehend untersucht. Wenn eine solche Veränderung vorliegt, dürfen sie keine "normalen" Pillen nehmen. Sollte es bei Frauen, die unter solchen Veränderungen leiden, dann zu einer Schwangerschaft kommen, muss ihr Blut täglich mit zu verabreichenden Heparin-Spritzen "verdünnt" werden.
Immobilisation
Eine lange Immobilisation, wie sie beispielsweise nach einer Operation oder einer Verletzung, aber auch bei einer langen Flugreise auftreten kann, erhöht das Thromboserisiko bei Anwenderinnen von Antibabypillen.
Es ist wichtig zu beachten, dass das individuelle Risiko für eine Thrombose bei Anwenderinnen von Antibabypillen von verschiedenen Faktoren abhängt. Frauen sollten daher mit ihrem Arzt über ihr individuelles Thromboserisiko sprechen und alternative Verhütungsmethoden in Betracht ziehen, wenn ein erhöhtes Risiko für Thrombosen festgestellt wurde.
Um wie viel erhöht sich das Thrombose-Risiko bei der Einnahme einer Kombinationspille?
Das Risiko eine Thrombose zu erhalten erhöht sich bei der Einnahme einer Kombinationspille, jedoch variiert das genaue Ausmaß der Erhöhung je nach Studie und Risikofaktoren der Anwenderin.
Heutzutage gibt es Gestagene, die die Haut reiner machen, weniger Wasser einlagern, Schmerzen in der Brust reduzieren uvm. Dabei wurde die anfänglich recht hohe Östrogendosis schrittweise von 80 auf schließlich 20 Einheiten verringert, um das Thromboserisiko zu senken.
Das ist zwar gelungen, aber leider hat man sich mit den neueren Gestagenen auch wieder ein etwas höheres Risiko erkauft. So ist das Risiko der Thrombose mit den Gestagenen der 3. und 4. Generation wieder auf das doppelte im Vergleich zur 2. Generation (8-12 auf 10.000 Frauenjahre) gestiegen. Das ist immer noch eine sehr kleine Zahl, kann aber bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren, z.B. Rauchen, Übergewicht usw. schnell deutlich höhere Werte annehmen. Man sollte allerdings auch nicht verschweigen, dass das Risiko in der Schwangerschaft eine Thrombose zu erleiden mit 20-30 auf 10.000 Frauenjahre noch höher liegt und niemand warnt eine Schwangere vor einer Thrombose (es sei denn, es liegen Risikofaktoren vor).
Reduzierte Dosen von Östrogenen und neue Östrogene haben nicht viel gebracht
Eine weitere Verringerung des Östrogens auf 15 Einheiten, die mit der Aufnahme des Wirkstoffs über die Haut durch einen Vaginalring oder einem Hautpflaster ermöglicht wurde, konnte das Thromboserisiko nicht weiter senken.
Es wurden in den letzten Jahren Östrogene entwickelt (z.B. Estradiolvalerat), die mehr dem natürlichen, vom Eierstock gebildeten Östrogen ähneln. Theoretisch sollten die damit kombinierten Pillen ein geringeres Thromboserisiko haben. Ob das tatsächlich so ist, ist nicht bekannt, da Thrombosen glücklicherweise recht selten sind und eine solche Studie über viele Jahre laufen muss, bis man stichhaltige Schlüsse daraus ziehen kann.
Es bleibt festzuhalten, dass sich eine junge gesunde Frau keine Sorgen bei der Einnahme der Pille machen muss, wenn keine weiteren Risikofaktoren vorliegen. Sollten diese vorhanden sein, muss man sich Gedanken über eine reine Gestagenpille oder z.B. eine Spirale machen.
Wie hoch ist das Risiko einer Thromboembolie?
Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeit des Risikos, innerhalb eines Jahres eine venöse Thromboembolie zu erleiden, für verschiedene Gruppen von Frauen [6] |
|
---|---|
Gruppe |
Anzahl |
Frauen, die keine hormonalen Verhütungsmittel verwenden und nicht schwanger sind |
Etwa 2 von 10.000 Frauen |
Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat enthält |
Etwa 5-7 von 10.000 Frauen |
Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Etonogestrel oder Norelgestromin enthält |
Etwa 6-12 von 10.000 Frauen |
Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Dienogest enthält |
Etwa 8-11 von 10.000 Frauen |
Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel enthält |
Etwa 9-12 von 10.000 Frauen |
Frauen, die ein kombiniertes hormonales Kontrazeptivum verwenden, das Chlormadinon oder Nomegestrol enthält |
Noch nicht bekannt* |
Die aktuellen Empfehlungen bezüglich Antibabypillen und Thrombose
Die aktuellen Empfehlungen bezüglich Antibabypillen und Thrombose variieren je nach Land und medizinischer Organisation. Im Allgemeinen wird jedoch empfohlen, dass Frauen, die eine hormonelle Verhütungsmethode wie die Antibabypille verwenden möchten, sich mit ihrem Arzt besprechen sollten, um ihr individuelles Risiko für Thrombose zu bewerten.
Einige allgemeine Empfehlungen beinhalten:
- Frauen mit einem höheren Thrombose-Risiko, wie z.B. ältere Frauen, Raucherinnen, Frauen mit einem BMI über 30 oder Frauen mit zugrunde liegenden Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck, sollten möglicherweise alternative Verhütungsmethoden in Betracht ziehen.
- Frauen, die bereits eine Thrombose oder Lungenembolie hatten oder eine familiäre Veranlagung für diese Erkrankungen haben, sollten keine kombinierten hormonellen Verhütungsmittel wie die Antibabypille verwenden.
- Frauen, die bereits hormonelle Verhütungsmittel verwenden, sollten auf Anzeichen einer Thrombose achten, wie z.B. Schmerzen oder Schwellungen in den Beinen oder Kurzatmigkeit, und sich sofort an ihren Arzt wenden, wenn sie diese Thrombose-Symptome bemerken.
- Frauen sollten regelmäßige Gesundheitschecks durchführen lassen und ihren Arzt über jegliche Veränderungen in ihrer Gesundheit oder ihren Lebensumständen informieren, die ihr Thromboserisiko beeinflussen könnten.
Es ist wichtig zu beachten, dass jede Frau unterschiedliche Bedürfnisse und Risikofaktoren hat. Weiterhin sollte die Entscheidung über die Verwendung einer hormonellen Verhütungsmethode wie der Antibabypille eine individuelle Entscheidung sein, die in Absprache mit einem Arzt getroffen wird.
Alternative Verhütungsmethoden, wenn ein Thrombose-Risiko besteht
Es gibt alternative Verhütungsmethoden, die in Betracht gezogen werden können, wenn ein erhöhtes Risiko für Thrombosen besteht. Hier sind einige Beispiele:
Barrieremethoden
Zu den Barrieremethoden gehören Kondome, Diaphragmen und Portio-Kappe. Diese Methoden sind recht sicher und beinhalten kein Thrombose-Risiko.
Kupfer-Intrauterinpessar (Kupfer-IUP)
Ein Kupfer-IUP ist eine hormonfreie Verhütungsmethode, bei der ein kleines Plastikteil mit Kupfer in die Gebärmutter eingesetzt wird, um die Schwangerschaft zu verhindern. Hierbei besteht kein Thromboserisiko und es kann mehrere Jahre lang liegen bleiben.
Natürliche Familienplanung
Die natürliche Familienplanung ist eine Methode, bei der die Fruchtbarkeit einer Frau anhand von Körpermerkmalen wie der Basaltemperatur und dem Zervixschleim beobachtet wird, um somit die fruchtbaren Tage zu bestimmen. Diese Methode erfordert eine gewisse Disziplin und Sorgfalt, damit sie sicher und effektiv ist.
Es ist wichtig, dass Frauen, die alternative Verhütungsmethoden in Betracht ziehen, ihre Optionen mit einem Arzt besprechen, um sicherzustellen, dass die gewählte Methode für sie sicher und effektiv ist.
Fazit
Die Verwendung von Antibabypillen kann mit einem erhöhten Risiko für Thrombosen verbunden sein, insbesondere bei Frauen mit bestimmten Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, höherem Alter und einer persönlichen oder familiären Vorgeschichte von Thrombosen. Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Thrombose-Risiko bei Frauen, die die Antibabypille verwenden, immer noch relativ gering ist und die meisten Frauen, sie ohne Komplikationen einnehmen können. Frauen, die die Pille verwenden oder eine hormonelle Verhütung in Betracht ziehen, sollten das Risiko und die Vorteile dieser Methode mit ihrem Arzt besprechen.
Es gibt alternative Verhütungsmethoden wie Barrieremethoden, hormonfreie Langzeitverhütungsmittel und natürliche Familienplanung, die in Betracht gezogen werden können, wenn ein erhöhtes Risiko für Thrombosen besteht.
Quellen
[1] Lidegaard Ø, Løkkegaard E, Svendsen AL, Agger C. Hormonal contraception and risk of venous thromboembolism: national follow-up study. BMJ. 2009 Aug 13;339:b2890. doi: 10.1136/bmj.b2890. PMID: 19679613; PMCID: PMC2726928. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19679613/
[2] Parkin L, Sharples K, Hernandez RK, Jick SS. Risk of venous thromboembolism in users of oral contraceptives containing drospirenone or levonorgestrel: nested case-control study based on UK General Practice Research Database. BMJ. 2011 Apr 21;342:d2139. doi: 10.1136/bmj.d2139. PMID: 21511804; PMCID: PMC3081041. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21511804/
[3] Larivée N, Suissa S, Eberg M, Joseph L, Eisenberg MJ, Abenhaim HA, Filion KB. Drospirenone-containing combined oral contraceptives and the risk of arterial thrombosis: a population-based nested case-control study. BJOG. 2017 Oct;124(11):1672-1679. doi: 10.1111/1471-0528.14358. Epub 2016 Oct 5. PMID: 27704723. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27704723/
[4] Jick H, Kaye JA, Vasilakis-Scaramozza C, Jick SS. Risk of venous thromboembolism among users of third generation oral contraceptives compared with users of oral contraceptives with levonorgestrel before and after 1995: cohort and case-control analysis. BMJ. 2000;321(7270):1190-1195. doi:10.1136/bmj.321.7270.1190. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11073511/
[5] Vandenbroucke JP, Rosing J, Bloemenkamp KW, Middeldorp S, Helmerhorst FM, Bouma BN, Rosendaal FR. Oral contraceptives and the risk of venous thrombosis. N Engl J Med. 2001 May 17;344(20):1527-35. doi: 10.1056/NEJM200105173442007. PMID: 11357157. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11357157/
[6] Venöse Thromboembolien und kombinierte hormonale Kontrazeptiva. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. 14.03.2022. BfArM - Pharmakovigilanz - Venöse Thromboembolien und kombinierte hormonale Kontrazeptiva